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Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme

Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr


Annemarie Ameise ist glücklich. Schon vor sechs Monaten hatte sie erfolgreich im ersten Anlauf den Pkw- Führerschein erworben.

Das Lernen fiel ihr schon immer leicht und so war die theoretische Ausbildung recht schnell und gut absolviert. Das Fahrtraining und die Fahrten mit ihrem Fahrlehrer machten ihr allerdings mehr zu schaffen. Besonders das Einparken rückwärts bereitete Annemarie oftmals große Schweißausbrüche. Dennoch konnte sie bei der ersten Prüfungsfahrt alle Beteiligten überzeugen.


Jetzt, an ihrem 19. Geburtstag stand nun auch ihr kleiner Flitzer, ein gebrauchter Kleinwagen, in der glitzernden Sonne vor der Tür. Lange hatte sie auf den fahrbaren Untersatz gespart und mithilfe ihrer Großmutter und ihrer Eltern konnten sie letztlich das Geld für ihr erstes Auto, das an ihrem 19. Geburtstag mit einer riesengroßen Schleife geschmückt war, aufbringen.


Nach einem ausgiebigen Geburtstagsfrühstück ging es dann auf die Jungfernfahrt. Diese wollte Annemarie ganz alleine genießen und hatte sich extra für ihren Tag frei genommen. Geplant war, in die nächste größere Stadt zu fahren und dann gegen Mittag sich mit ihren beiden besten Freundinnen zum Essen beim Italiener zu treffen.


Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Annemarie fuhr vorsichtig und selbst auf der großen Magistrale, die sechsspurig ausgebaut war, blieb sie auf der rechten Fahrspur. Ein Verkehrshindernis wollte sie nicht sein, aber auch nicht die zugelassenen 60 km/h fahren. Immer wieder überholten Fahrzeuge ihren kleinen Flitzer. Auch einen großen schwarzen SUV bemerkte sie neben sich, als dieser urplötzlich von der linken mittleren Fahrspur auf ihre Fahrspur wechseln wollte, um offensichtlich nach rechts in eine kleine Stichstraße einzubiegen. Dabei drosselte der Fahrer des SUV sein Fahrzeug, sodass Annemarie nicht einmal mehr reagieren konnte, als es zur Kollision mit ihrem kleinen Auto kann.

Erschrocken und zitternd hielt Annemarie an, stieg dann vorsichtig aus, nachdem sie, wie gelernt die Warnblinkanlage einschaltete.

Auch wusste sie, dass sie das Warndreieck in einiger Entfernung hinter dem Unfallort abzustellen hatte. Der Fahrer des SUV, Jörg Jaguar, hielt sein Fahrzeug ebenfalls an und beide warteten auf die gerufene Polizei, da Annemarie darauf bestand.


Die beiden Polizeibeamten waren freundlich, nahmen das Unfallereignis auf und schauten sich den Sachschaden an Annemaries Pkw an. Eine große Beule zierte den linken vorderen Kotflügel, dennoch war das Fahrzeug verkehrs- und betriebssicher, sodass sie ihre Fahrt fortsetzen konnte.

Geburtstagsstimmung war etwas anderes.


Da die Personalien und die Versicherungen miteinander ausgetauscht wurden, bat Annemarie ihren Vater, sich um die Schadensabwicklung zu kümmern. Da Annemaries Pkw noch nicht sehr alt war, lohnte sich die Hinzuziehung eines Schadensgutachters und letztlich nach dessen Einschätzung die Reparatur.

Schnell fertigte Annemaries Vater in ihrem Auftrag ein Forderungsschreiben an die Versicherung des Herrn Jaguar, die „Albatros AG“.


Nicht zu fassen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den Ausgleich der geltend gemachten Schäden mit dem Bemerken ablehnte, dass hier der Anscheinsbeweis nicht gelte und sich darauf berief, dass der Fahrstreifenwechsel durch Herrn Jaguar nicht vollständig vollzogen war, als es zur Kollision kam. Dies würden auch die vom Gutachter gefertigten Fotos, die den Schaden von Annemaries Pkw zeigten, aussagen.


Damit wollte und konnte sich Familie Ameise nicht einverstanden erklären.

Zusammen mit ihrem Vati saß Annemarie dann ein paar Tage später bei ihrem Familienanwalt Gerhard Gerechtigkeit.

Schnell war der Sachverhalt geschildert und eine Skizze auf Bitte des Anwalts zum Unfallhergang gefertigt.

„Für mich ist der Sachverhalt eindeutig“ fing der Anwalt an.

„Gerade kürzlich hat das Kammergericht Berlin, vergleichbar mit einem Landgericht, ein Urteil gefällt, bei dem es um einen fast gleichen Sachverhalt ging. Auch dort hat der Unfallgegner gemeint, dass bei einem noch nicht vollzogenen Fahrstreifenwechsel der Anscheinsbeweis nicht greife. Das hat das Gericht allerdings ganz anders gesehen. Nach § 7 Abs. 5 StVO gibt es besondere Sorgfaltsanforderungen für diejenigen, der einen Fahrstreifenwechsel beabsichtigt. Auch in dem dortigen Verfahren hat deshalb das Kammergericht entschieden, dass der Beklagte, also derjenige der auch dort den Fahrstreifenwechsel eingeleitet hat, die alleinige Haftung für den Verkehrsunfall zu übernehmen hat.“

„Wie gut, dass es Anwälte gibt.“ freute sich Annemarie „Dann wird wenigstens mein Schaden an meinem ersten Auto ohne finanzielle Folgen für mich repariert.“


Vater und Tochter war damit einverstanden, dass der Anwalt zunächst in einem außergerichtlichen Schreiben die gegnerische Haftpflichtversicherung mit der Rechtsprechung konfrontiert und gegebenenfalls mit der gerichtlichen Durchsetzung der Schadensersatzansprüche droht. Zu seiner Überzeugung hilft ein anwaltliches Schreiben dann auch häufig.


Nachzulesen: Urteil des Kammergerichtes Berlin vom 10.02.2021, Az. 25 U 160/19




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